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Im Interview: Anne-Christin Hofmann von Gretchen

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„Weniger ist mehr“  – getreu dieser Maxime entwirft die deutsche Jung-Designerin Anne-Christin Hofmann Taschen und Accessoires aus Leder. Der Name ihres Labels: „Gretchen“, bedeutet altdeutsch soviel wie „kleine Perle“ – und genau das sind die großartigen Kreationen auch. Kleine Perlen. Ich bin ein so großer Fan, dass ich sogar mit einer Gretchen (der Alva-Clutch) geheiratet habe. Umso begeisterter bin ich, dass sich deren Schöpferin Zeit genommen hat, um mir für Josie Loves Rede und Antwort zu stehen.

Josie loves: Liebe Anne-Christin Hofmann, Sie sind mit Leder und Lederwaren groß geworden. Heute haben Sie Ihr eigenes Label und unterstützen Ihren Vater in dessen Firma. Hatten Sie niemals das Gefühl: Jetzt reicht’s mal. Ich muss mich abnabeln, endlich etwas anderes sehen?

Anne-Christin Hofmann: Gerade weil ich in der Welt der Lederwaren groß geworden bin, habe ich eine tiefe Verbundenheit und Affinität zu diesem Material entwickelt. Schon als kleines Kind habe ich mit meinem Bruder  im Lederlager zwischen Bergen von Lammleder, Peccarys und Pelzen Verstecken gespielt. Als Teenager habe ich meinen Vater auf Geschäftsreisen und bei Kundenbesuchen begleitet, war auf den Messen in Offenbach und Mailand mit dabei und habe Gerbereien und Zulieferer von Finnland bis Neapel mit ihm besucht. Ich habe es schon immer geliebt zu reisen, und Land und Leute kennenzulernen. Nebenbei habe ich spielerisch immer mehr über Lederwaren, deren Verarbeitung und Entwicklung gelernt. Beim Geruch von Leder empfinde ich deshalb bis heute ein Glücksgefühl die ich niemals missen möchte… davon kann ich gar nicht genug bekommen.

Josie loves: Was genau fasziniert Sie so an diesem Material?

Anne-Christin Hofmann: Das besondere an Leder ist, dass es ein „lebendiges“ Material ist, jede Haut hat ihren eigenen Charakter, denn jedes Schaf und jede Kuh hat ja ein bisschen anders gelebt, etwas anderes gefressen, hat dadurch etwas mehr oder weniger Falten, eine eigene Hautstruktur. Bei einem naturbelassenen Leder kann man all diese individuellen Merkmale noch sehen, es macht jeden Handschuh und jede Handtasche zu einem Unikat. Außerdem ist und bleibt die Herstellung von Lederwaren ein traditionelles Handwerk was mit viel Erfahrung und Liebe zum Detail entsteht. Kein Roboter kann das Auge eines erfahrenen Zuschneiders ersetzen wenn er die Einzelteile einer Tasche so optimiert platziert, dass er so wenig wie möglich an Material verschneidet und zugleich eine perfekte Farbabstimmung untereinander erzielt. Hier liegt bis heute viel Fachwissen in den Händen geschulter Täschner und Handschuhmacher, welche ihr Wissen von Generation zu Generation weiterreichen.

Josie loves: Was ist ihr liebstes Baby?

Anne-Christin Hofmann: Ich liebe Clutches und alle Abendformate – davon kann ich nie genug bekommen. Obwohl sie so klein sind bieten gerade sie einen unendlichen Gestaltungsspielraum in Bezug auf Form und Farben. Bei Abendtaschen darf es im Zweifelsfall immer ein bisschen extremer und gewagter sein; der praktische „Alltags-Aspekt“ tritt mehr in den Hintergrund. Hier habe ich als Designer die größte Freiheit.

Josie loves: Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Ihrem Vater?

Anne-Christin Hofmann: Wir sind ein über die Jahre eingespieltes Team das sich hervorragend ergänzt. Für meinen Arbeitsbereich im Design habe ich weitestgehend freie Hand und genieße das volle Vertrauen meines Vaters. Er steht meinen kreativen Ideen und Entwürfen immer offen gegenüber und hilft mir mit seiner Erfahrung und Fachwissen bei deren Umsetzung. Natürlich analysieren wir gemeinsam die generellen Entwicklungen des Marktes und die Anforderungen der Kunden. Zu Beginn meiner Designzeit gab es sicherlich das ein oder andere Stirnrunzeln ob der Verkäuflichkeit eines Designs, und die Mustermacher haben wohl insgeheim auch mal gedacht „jetzt spinnt sie“… aber die starke modische Aussage der Kollektionen die ich für die Firma meines Vaters kreiere, werden von den Einkäufern honoriert und geschätzt und bestätigen das manchmal gewagtere Designkonzept.

Josie loves: Was macht eine typische Gretchen aus?

Anne-Christin Hofmann: Eine typische Gretchen-Handtasche fällt auf durch ihre Form; sie lebt von modernen und puristischen Schnitten. Ein Hauch von Architektur schwingt in vielen Modellen mit, obwohl ich Ideen und Inspirationen eigentlich meistens in der Natur suche und finde. Das besonders weiche Leder der Tasche kommt durch das reduzierte Design voll zur Wirkung, denn nach meiner Überzeugung kann eine Tasche nur dann schön sein, wenn sie aus einem besonders hochwertigen Leder gefertigt wurde welches der Haut schmeichelt und die Sinne anspricht. So entsteht ein spannendes Wechselspiel entsteht von Form und Material, von festeren und weicheren Elementen, welche ich gerne durch dezente Details wie von handapplizierte Profile oder einzeln eingearbeitete Falten betone.

Josie loves: Was war Ihr erstes Design? Was hat Sie inspiriert?

Anne-Christin Hofmann: Mein erstes Accessoire-Design war ein Handschuh während der Schulzeit für meinen A-level Leistungskurs in Design & Technologies. Bezeichnender Weise war auch dieser Handschuh schon schlicht gehalten und auf Schnitt und Material fokussiert. Aus einzelnen aneinandergesetzten „Streifen“ im Materialmix Lammnappa und Pony habe ich die Oberhand gestaltet. Die Idee war inspiriert von einer Themenwelt „Black & White“ die ich vorher recherchiert hatte. Persönlich war ich noch nie ein Fan von allzu harten Kontrasten wie insbesondere schwarz-weiß, aber umso spannender war die selbstgestellte Herausforderung einen Starken Kontrast auf andere Weise umzusetzen. So kam ich auf die Idee des Wechselspiels in der Oberflächenanmutung des glatten, glänzenden Lammleders mit dem feinstrukturierten aber „haarigen“ Kalbfell. Der Handschuh wurde ein Designerfolg – er wurde zum Startschuss meiner Designlaufbahn.

Josie loves: Was inspiriert Sie generell?

Anne-Christin Hofmann: Eine Inspiration, das kann alles und nichts sein. Die besten Ideen kommen mir frei aus dem Kopf, sie sind einfach plötzlich da und müssen dann auch ganz schnell auf’s Papier, sonst verfliegen sie. Manchmal mache ich einfach die Augen zu und „fühle“ mich hinein in eine Tasche, es ist so viel leichter sie im Kopf zu „erträumen“ als sie dann in die Realität umzusetzen. Generell  inspiriert mich die Natur am meisten, die Perfektion ihrer Formen, die ausgefeilten Details, die unendliche Vielzahl ihrer atemberaubenden Farben und Strukturen. Wenn ich draussen in der Natur bin bekomme ich den Kopf vollkommen frei, ich höre auf zu denken, zu bewerten und analysieren und atme nur noch, sauge mit jeder Pore die Schönheit und Kraft auf die mich umgibt. Aus diesen Eindrücken schöpfe ich wenn ich vor einem weißen Blatt Papier sitze und über den neuen Designs brüte… Steht das Konzept zu einer neuen Tasche im Kopf beginnt erst die eigentliche Arbeit – die Idee auf Papier zu bannen, so zu umschreiben und bemaßen dass der Mustermacher meinen Entwurf dann auch nachvollziehen, nach“fühlen“ und umsetzen kann. Hier entsteht ein wahrer Dialog, und es vergehen meist 2 oder 3, manchmal aber auch 4 oder 5 Prototypen, bevor die Tasche „ausgereift“ ist und in die Kollektion aufgenommen wird.

Josie loves: Welche Gretchen geben Sie nie wieder her?

Anne-Christin Hofmann: Meine erste Alva Clutch – der Prototyp der halbmondförmigen Clutch, welche in ihrer Grundform unverändert geblieben ist und in den Modellen „Actress Clutch“ und „Tango Clutch“ immer wieder auftaucht. Das „Original“ habe ich für unsere erste Messe in Mailand entworfen; es ist lila-rot-rosa und trotz oder gerade wegen der extravaganten Farbkombination eines meiner liebsten Modelle. Das Leder ist ein ganz feines Kalbleder, sie macht die Clutch zu einem wahren Handschmeichler, ist somit Luxus pur und mein persönliches Kleinod.

Josie loves: Welches andere Label lieben Sie so sehr, dass Sie nicht genug davon bekommen können – und warum?

Anne-Christin Hofmann: Keines – ich bin nicht der modeverrückte Designer und beobachte ständig die Arbeit anderer. Natürlich befasse ich mich durch meine Designtätigkeit zwangsläufig viel mit Mode und stoße dabei immer wieder auf Entwürfe von Kollegen bei denen ich denke – wow, das ist perfekt oder innovativ. Aber fragen Sie mich nicht nach Namen – ich könnte Ihnen keine nennen. Wenn ich zu viel Mode sehe dann verschwimmt alles vor meinen Augen und ich fühle mich ganz leer. Dann merke ich dass es Zeit wird mal wieder rauszukommen aus dem lauten, engen Modekosmos, hinein in die beruhigende Weite und Stille der Natur.

Josie loves: Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?  Wollen Sie Ihre Kollektion noch erweitern?

Anne-Christin Hofmann: Ich sehe Gretchen als gewachsenes, etabliertes Accessoirelabel mit einer internationalen „Fangemeinde“ von New York bis Tokyo, aber auch von Reykjavik bis Buenos Aires. Mir kommt es nicht darauf an die selbstverliebten Modemetropolen dieser Welt zu erobern. Was für mich zählt ist vielmehr Accessoires zu kreieren für Frauen, die auf ihre individuelle und besondere Art einen eigenen, unabhängigen Stil zelebrieren, ungeachtet von kurzlebigen Trends oder gehypten Stardesignern. Sicherlich wird es in 10 Jahren auch eigene Gretchen-Stores geben, welche das Lebensgefühl und die Werte der Marke wiederspiegeln, und natürlich eine verstärkt ausgebaute Internetpräsenz und –shop. Denn auch wenn ich persönlich ein Produkt immer gerne anfassen möchte, bevor ich es kaufe so ist doch gerade die typische Gretchen-Zielkundin eine vielbeschäftigte, beruflich aktive und erfolgreiche Frau welche es zu schätzen weiß online zu shoppen. Und im Gegensatz zu Bekleidung gibt es bei Accessoires ja keine Größenprobleme – hier kann Frau vollkommen unbeschwert einkaufen!

Josie loves: Würden Sie für www.josieloves.de aus dem Nähkästchen plaudern? Wie sieht die nächste Kollektion aus? Welche Farben und Formen spielen in Zukunft eine Rolle? Und: warum?

Anne-Christin Hofmann: Die nächste Kollektion die unmittelbar vor der Auslieferung steht ist Herbst/ Winter 2010. Highlights darin sind die zwei neuen „Soul“ Modelle mit austauschbaren Blankets – sie können an die Tasche angeknöpft werden und verändern so ihren Look. Die Kundin kann selbst gestalterisch kreativ werden und ihre klassisch schwarze Soul Tote für den Alltag abends umstylen mit dem auffälligen Lachsleder-Blanket in grau-silber. Insgesamt gibt es 10 Blankets in einer Vielzahl an Farben und Materialien, von exotischem Fischleder über samtiges Suede bis hin zu edlem Pony. Mit dieser neuen Linie greife ich die andauernde Lust der Veränderung und Umgestaltung auf, die uns Frauen ja besonders umtreibt. Die Farbpalette für Herbst Winter ist breit gefächert; insbesondere erdige Töne wie Schokolade, Steingrau, warmes Cognac und Taupe finden sich darin wieder. Zum Favoriten der neuen Saison scheint schon jetzt unser Wine zu avancieren, ein tiefer, kräftiger Beerenton mit Bi-color Effekt. Parallel dazu beginnt für uns jetzt die Verkaufssaison der Frühjahr/ Sommer 2011 Kollektion an die Facheinkäufer – hier darf Frau sich für den kommenden Frühling auf geometrisch-moderne Formen freuen, „Gretchen at its purest“ eben, mehr kann ich leider noch nicht verraten!

Josie loves: Zuletzt aus ganz eigenem Interesse: Welche Ihrer Shopping-Bags würden Sie einer Endzwanziger Großstadt-Prinzessin empfehlen?

Anne-Christin Hofmann: Für every-day würde ich unbedingt den Swing Large Shopper nehmen – er ist ein wahres Stauraumwunder, weich und bequem und gefertigt aus einem besonders langlebigen Französischem Büffelleder. Ausserdem macht er jeden Stil mit von lässig bis klassisch bis rockig… Mein persönlicher Favorit ist allerdings der Salsa Duffle. Im Design wesentlich ausgefallener schwankt die Anmutung zwischen Star-Wars und Bikerchic… lässt sich aber auch ganz casual stylen. Im Alltags-Großstadtjungel mag ich es, daß ich die Tasche quer oder auf der Schulter tragen kann, oder sie sich auch direkt an den Kurzgriffen in die Hand nehmen lässt. Mein Farb-Tipp für alle Taschenkäuferinnen diesen Herbst: grau, grau, grau!! Grau ist das neue schwarz. In einem schönen Leder wirkt es lebendig, ausserdem lässt es sich mit wirklich jeder anderen Farbe kombinieren, auch braun, und wirkt dabei frischer.


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1 Kommentar

  • 12
    07
    2010
    10

    Tolles Interview :-) Super interessant!

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